Haushaltsrede 2023

FDP Kempen Haushaltsrede 24.01.2023

Fraktionsvorsitzender Bernhard Lommetz

FDP-Haushaltsrede zum Haushalt 2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates und der Verwaltung,

sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Vor Ort in den Kommunen wird Demokratie unmittelbar für die Menschen greifbar. Knappe Ressourcen treffen dabei auf fast grenzenlose Wünsche der Einwohner zum kommunalen Leistungsangebot. Hinzu kommen extern verursachte Belastungen der Kommunalfinanzsituation, derzeit etwa die Wirtschafts- und Konjunkturkrise, Energie-, Flüchtlings- und Ukrainekrise oder die Corona-Pandemie. Sie erschweren das kommunalpolitische Ringen um ausgeglichene Haushalte und damit den langfristigen Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung.
Nun kann der Staat sich seine Regeln selber geben um die wahre Vermögenssituation bzw., Haushaltssituation zu verschleiern. Nennen wir das sog. 100 Mrd.€ Sondervermögen für die Bundeswehr und weitere „Sondervermögen“ Forderungen von 200 Mrd.€ für den Klimawandel oder 50 Mrd.€ für den Wohnungsbau. Milliardenschwere „Sondervermögen“ sind Kreditaufnahmen und eine schleichende Verwandlung in immer mehr neuen Schulden, die früher oder später mit Steuererhöhungen zurückbezahlt werden.
Der Kempener Haushalt ist nicht in Besitz von Sondervermögen, aber der Gesetzgeber bietet ihm die Möglichkeit die kommunalen Aufwendungen der Coronapandemie bilanziell zu optimieren. Das Schlagwort nennt sich Corona Isolierung, die für die Jahre 2020 – 2023 = 13.9 Mill.€ im Haushalt ausmacht.
Frage: Isoliert von was?
• Nun ja, die Mehraufwendungen im Zusammenhang mit der Coronapandemie tauchen auf der Verlustseite nicht auf und werden isoliert. Man schreibt sich stattdessen Vermögensgegenstände bzw. Außerordentliche Erträge zu, die nicht vorhanden sind und insofern auch abgeschrieben werden müssen. Im Jahr 2026 steht die Entscheidung an, ob eine sofortige Abschreibung gegen die allgemeinen Rücklagen erfolgt oder das Modell mit 2% Abschreibung über 50 Jahre gewählt wird.
Beides ist eine Belastung zukünftiger Generationen und diese Luftbuchung führt zu keinem Euro mehr in die Stadtkasse. Wenn die HH-Lage es 2026 zulässt plädieren wir für eine komplette Abschreibung.
Der Haushalt 2021 hat uns eine Konsolidierungsliste beschert, welche die seinerzeit drohende Gefahr eines Haushaltsicherungskonzeptes vermied. Die Umsetzung der Maßnahmen zeigten sich positiv in den Einnahmen 2022 als auch in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2025.
Insbesondere fällt bei den bereits durchgeführten Konsolidierungsmaßnahmen auf, dass es sich hierbei größtenteils um Gebührenerhöhungen handelt, welche durch die Einwohner der Stadt getragen werden. Die Bürger werden nicht nur durch die gestiegenen Leistungsentgelte der Haushaltskonsolidierung mehr belastet sondern ebenfalls durch die stark steigenden Lebenshaltungskosten aufgrund der COVID-19 Pandemie, durch den Krieg in der Ukraine als auch durch die extreme Belastungen des Energiemarktes. Hierbei sei erwähnt, dass die Energiepreisbremse nur einen Tropfen auf dem heißen Stein darstellt. Denn wir alle wissen, dass die Kosten dennoch um ein Vielfaches gestiegen sind. Somit bleibt zu sagen, dass die FDP Fraktion sich weiterhin für Einsparmöglichkeiten innerhalb der Verwaltung einsetzt um weitere Gebührenerhöhungen und dadurch weitere Mehrbelastungen für die Bürger zu verhindern.

Beim Konsolidierungsplan sehen wir vor allem noch Bedarf bei der Umsetzung der Maßnahmen Nr. 38 und 40 „Herstellung einer erhöhten Trägervielfalt im Kitabereich und OGS“.
Beide Maßnahmen müssen bei der Ausschreibung weiterer, neuer KITA’s (Schmeddersweg) umgesetzt werden. Das gleiche gilt für die 3 OGS-Einrichtungen, derzeit in städtischer Hand. Mit dem Rechtsanspruch ab 2026 bietet sich die Gelegenheit der Übertragung in freie Trägerschaften.
Zur Größenordnung: Der Stellenplan 2023 weist bei den KITA ́s 197 Stellen und der OGS 43 Stellen mit verschiedenen Stundenanteilen inkl. Inklusionshelfer und Hauswirtschaftskräfte aus. Gemessen an der IST Besetzung von 512 Beschäftigten der Stadt, Stand 30.6.22, macht das einen 46% (240 Beschäftige) Anteil aus. Es geht uns dabei nicht um Kostenreduktion. Dieser Effekt wird durch die Transferleistungen zu den Trägern eliminiert. Ziel neuer Trägerschaften ist vielmehr die Entlastung der städtischen Personalorganisation.
Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel ist schon lange in den Kommunen angekommen. Die Anforderungen an die Verwaltung hinsichtlich Transparenz, Dokumentation, Rechtssicherheit und Performance steigen permanent. Von Bürokratieentlastung keine Spur. Und seien wir an dieser Stelle realistisch: die demografische Entwicklung erzeugt einen Dauerzustand offener Stellen, auf der Zeitachse mehr und minder anzahlmäßig variierend. Und doch geht es nicht so weiter mit immer neuen Stelleanforderungen zu reagieren. Das dokumentiert den Mangel, beseitigt ihn aber nicht.
Dem Mangel entgegenwirken sind andere Organisationsstrukturen der Arbeits-/ und Ablaufprozesse notwendig. Was ist aus dem Allevo Gutachten aus 2017 mit seinen 147 Maßnahmen + 214 Seiten + Anhang geworden? Wo steht da die Verwaltung, welche Maßnahmen sind wann, wo und wie umgesetzt worden? Was ist noch zu erledigen? Ein offizielles Update Dokument zum Status ist mir nicht bekannt. Es besteht dringender Nachholbedarf.
Verwaltungsstrukturen effizienter zu gestalten kann nicht die Kommune allein stemmen, hier muss Bund, Land und Kreis mit an die Aufgabe heran gehen. Stichworte:
• Interkommunale Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und Kreis
• Senkung der Standards
• Aufgabe freiwilliger Leistungen
• Übertragung kommunaler Institutionen auf freie Trägerschaften. Neue KITA ́s bzw. OGS.
• Investitionen in Digitalisierung, Digitalisierung, man kann es nicht oft genug betonen.
An dieser Stelle begrüßen wir es ausdrücklich, dass mit Herrn Schaath der Leiter für „Verwaltungssteuerung und Service“ am 1.1.23 seine Tätigkeit aufgenommen hat. Die Stichworte seiner Stellenbeschreibung sind gerade gefallen. Wir wünschen ihm viel Erfolg bei dieser ambitiösen Aufgabe.
Bisher war Kempen eine ambudante Gemeinde, d.h. kein Kandidat für die Landes Schlüsselzuweisungen. Dies hat sich geändert und Kempen erhält 2023 ca. 2.5 Mill.€ aus dem Landeshaushalt. Dies bedeutet, dass Kempen relativ gesehen, also nicht absolut, zu Vergleichskommunen an Steuerkraft verloren hat.

Dem Reflex die Steuerkraft mittels Hebesatzerhöhungen der Grundsteuer A + B, sowie die der Gewerbesteuer, zu folgen ist der falsche Ansatz. Die FDP hat im HH 2022 einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B um 30 Pkt. von 440 % auf 470% abgelehnt. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer mit 440% ist gleichgeblieben und das soll auch so bleiben.
Der Gegenentwurf ist dem Wirtschaftsstandort Kempen mehr Attraktivität zu verleihen um im interkommunalen Wettbewerb zu bestehen. Wir stehen in der Verantwortung, Wirtschaft zu fördern und nicht zu verhindern.
Mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur ist Kempen sowohl im Stadtkern, in den Gewerbegebieten als auch in den ländlichen Außenbereichen auf einem sehr guten Weg. Die Telekom im Eigenausbau, als auch die Deutsche Glasfaser mittels diverser Bundes-, Landes- und Kreis Förderprogramme haben in den letzten Jahren den Glasfaserausbau massiv nach vorne getrieben. Mit der Deutschen Glasfaser wurde ein weiterer Kooperationsvertrag abgeschlossen der den privatwirtschaftlichen Ausbau des Glasfasernetzes im Kempener Süden und Osten, Gewerbegebiet in St.Hubert und Tönisberg incl. Wartsbergsiedlung vorsieht. Von daher sind wir sehr gut aufgestellt.
Bei den Gewerbegebieten macht uns Sorge der Ausbau
• des Gewerbegebietes an der Hülser Straße. Nachdem seitens der Kommune die 40.000 qm große Gebietsentwicklung Mitte 2021 abgeschlossen und bereitgestellt worden ist, geht es nur sehr schleppend mit der Ansiedlung der Unternehmen weiter. Das ist vor allem deswegen erstaunlich, da dieses Gebiet um das doppelte an qm nachgefragt war. Die Zurückhaltung der Grundstückserwerber ist zum Teil aufgrund der gestiegenen Bau- und Energiekosten verständlich, jedoch kann es nicht sein, dass derzeit keine Bautätigkeiten zu erkennen sind. Die Stadt ist gefordert die Initiative zu ergreifen, um diesen Umstand zu beenden.
• Ein hoffnungsvolles Projekt weiterer Gewerbeflächenentwicklungen ist das 8 HA große ehemalige Firmengelände von „De Beukelaer“ an der Arnoldstraße. Sollte der Stadt der Erwerb möglich sein wäre das eine hervorragende Gelegenheit den Gewerbemix um innovative Unternehmen aus IT und Umwelttechnologie zu erweitern. In Verbindung mit dem TZN und der Hochschule Venlo kann das ein interessantes Netzwerk aus Forschung und Wirtschaft ergeben. Damit dürfte es dann auch erstmal mit der Ausweisung weiterer Gewerbeflächen in Kempen gewesen sein.
Die Investitionsvolumina gehen 2023 und in den weiteren Jahren, neben den Erhaltungs- und Bestandsmaßnahmen, vor allem in den Campusausbau und in das Sportzentrum Berliner Allee. Und endlich auch in die Erstellung des Kabinen Tracktes in St.Hubert, Stendener Straße.
• Neubau Gesamtschule 2.Abschnitt , Mittelplanung 23 mit 4.2 und 2024 mit 2.0 Mill€
• Sportzentrum Berline Allee 8.2 Mill.€
• Kabinentrakt St.Hubert Stender Straße 1.4 Mio.€
Ebenso unterstützen wir die beiden Haushaltsansatzansätze von je 10 Mill.€ für
• Grundstückserwerbe zukünftiger Ausgleichsflächen, Grünland und Ackerlandnutzung.
• 10 Mill.€ Kapitalerhöhung für die Stadtwerke
Die FDP befürwortet ausdrücklich diese Investitionen in die Zukunft unserer Stadt.

Unser höchstes Gut, ist die sehr gute Kempener Bildungslandschaft, diese müssen wir weiter fördern, um Schritt zu halten mit den neuen Herausforderungen. Wir setzen uns weiterhin für einen modernen, zukunftsfähigen Bildungs- und Wirtschaftsstandort & einer digitalen und serviceorientierten Stadtverwaltung ein!
Einige Schlussbemerkungen:
Wir Freien Demokraten stehen dabei für eine Politik, die konkrete Lösungen für Probleme liefert, die Bürgerinnen und Bürger unterstützt, aber nicht bevormundet. Wir verstehen uns als Stimme der liberalen & progressiven Mitte der Kempener Bürgerschaft und möchten die nächsten Jahre weiterhin aktiv mitgestalten und die Chancen der Digitalisierung nutzen und nicht aussitzen!
Daher richten wir unseren Blick vor allem auf die Potenziale für mehr Bürgerservice sowie bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter, indem wir die Chancen der Digitalisierung aktiv nutzen!
Zudem gilt für uns weiterhin – Vor dem Verteilen kommt das Erwirtschaften. Für uns hat Arbeit, Wachstum & Innovation weiterhin Vorfahrt. Denn auch im kleinsten Ort kann Großes entstehen!
Und auch wir möchten den Klimawandel und dessen Auswirkungen aktiv managen, in dem wir nicht auf Symbolpolitik, sondern auf konkrete Maßnahmen und einen effektiven Klimaschutz hinwirken. Dabei sehen wir insbesondere die Stadtwerke in der Pflicht ihr Geschäftsmodell in Zukunft zu optimieren.
Wir bedanken uns für die kollegiale Zusammenarbeit mit der Verwaltung, dem Bürgermeister und den politischen Mitakteuren.
Die FDP stimmt dem Haushaltsplan 2023 mit allen seinen Anlagen zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Kempen, den 24.01.2023