Haushaltsrede 2024
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates und der Verwaltung, sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
wir befinden uns in einer herausfordernden Zeit und die Rahmenbedingungen, denen sich der kommunale Haushalt stellen muss, sind wahrhaftig gewaltig:
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Mit 0,2 % Wirtschaftswachstum weist Deutschland im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn die geringste Wachstumsrate aus.
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Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst mit durchschnittlich 11% Steigerung und ca. 5% bei der Beamtenschaft belasten den Personalhaushalt.
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Bau- und Beschaffungskosten sind neben den Lieferengpässen gewaltig gestiegen.
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Inflation und Zinsniveau drücken auf die Ausgaben, was sich auf unsere Zinsbelastungen für
bestehende Kredite und zukünftige Kreditaufnahmen auswirken wird.
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Flüchtlingsbedingte Unterbringung als auch die Integrationskosten in Kita und Schule
belasten den kommunalen Haushalt.
Diese Fakten erfordern eine besonnene und verantwortungsvolle Herangehensweise an unsere finanziellen Mittel. Wie können die Mehraufwendungen bewältigt werden, ohne die finanzielle Stabilität des HH zu gefährden? Das geht unserer Meinung nach nur mit einer sorgfältigen Überprüfung der Ausgabenprioritäten. Nach Jahren als abundante Kommune erhält Kempen nach 2023 auch 2024 wieder eine Schlüsselzuweisung des Landes i.H.v. 599.514,-€. Das zeigt doch wie wichtig eine Ausgabenpriorisierung ist.
Nun ist es nicht so, dass das Land die Kommunen im Stich lässt. Man hat ihnen das NKF-COVID-19- Ukraine-Isolierungsgesetz (NKF-CUIG) vom 29. September 2020 gegeben. Dies bedeutet, dass Mehraufwendungen im Zusammenhang mit Corona oder/und der Ukraine nicht als Aufwand gerechnet werden bzw. isoliert werden. Stattdessen schreibt man sich nicht vorhandene Vermögensgegenstände als außerordentliche Erträge zu, die abgeschrieben werden müssen und somit eine Verlagerung von Kosten in die Zukunft ist, die nichts mit einer periodengerechten Zuweisung von Aufwand und Ertrag zu tun hat. Beides sind Belastungen zukünftiger Generationen und diese Luftbuchungen führen zu keinem Euro mehr in die Stadtkasse.
Die Covid 19 und Ukraine Isolierung macht von 2020 – 2023 für den Kempener HH ca. 11.5 Mill.€ aus. Im Jahr 2025 steht die Entscheidung an, ob im HH 2026 eine komplette Abschreibung gegen die allgemeine Rücklage erfolgt oder das Modell mit 2% jährlicher Abschreibung über 50 Jahre gewählt wird.
All diese Beispiele zeigen auf, wie externe Einflussgrößen in den Haushalt hineinwirken. In den kommenden Jahren sind große Investitionsprojekte geplant. Als da zu nennen wären der „Sportpark Berliner Allee“ und die Schulbebauung des Ludwig-Jahn-Platzes, sowie in der Folge Renovierung des Thomaeums und die LVD-Verlagerung in das ehemalige Realschulgelände. Das setzt eine solide und transparente Finanzplanung voraus. In welche Situation der Haushalt mittelfristig nicht geraten darf, zeigt das Beispiel unser Nachbarkommune Willich.
FDP-Rede zum Kommunalhaushalt Kempen 2024 Rat am 12.03.2024
Fraktionsvorsitzender Bernhard Lommetz
Zitat aus einem Bericht der Rheinischen Post zum Willicher HH Entwurf 24:
………..die Zahlen seien erschreckend. „Wenn wir einfach nur Einnahmen und geplante Ausgaben gegeneinander rechnen, dann kommt ein strukturelles Defizit von 20 Millionen Euro heraus. Das können wir durch Ansetzung eines ‚globalen Minderaufwands‘ von zwei Prozent etwas drücken. Bei einem Gesamthaushalt von etwa 200 Millionen Euro macht das vier Millionen aus. Damit ergibt sich ein bilanzielles Defizit von 16 Millionen. Das wäre immer noch der direkte Weg ins HSK oder im ersten Schritt die Genehmigungspflicht.
Zitat Bürgermeister Christian Pakusch CDU der auch auf Kempen zutrifft:
„Der „Willich-Weg“ werde sich künftig verändern. „Bisher muss man schon sagen, dass wir hier in Willich im goldenen Käfig leben. Wenn wir Dinge machen, egal, ob wir Kitas bauen, Parks sanieren oder dergleichen, wir haben immer die Premium-Lösung gewählt“, sagt er. Diese Zeiten seien vorbei.
Der FDP ist es wichtig, dass mit diesem HH-Entwurf 24 und der mittelfristigen Finanzplanung ein tragfähiges Fundament für die kommenden Herausforderungen gelegt wird. Machen wir uns nichts vor die Infrastrukturprojekte Sportpark Berliner Allee, Campus Konzept (Gesamtschule, Thomaeum, LVD), Kitaneubau und OGS-Ausbau werden nahezu zu 100% kreditfinanziert sein. Dazu passt eine Zahl aus dem HH-Seite 49, dass die Verschuldung aufgrund der investiven Maßnahmen und der hohen Auszahlungen in die laufende Verwaltungstätigkeit bis Ende 2027 auf rd. 180 Mill.€ steigen könnte. Es ist also größte Vorsicht geboten.
Seitens der Verwaltung ist ein Weg in die richtige Richtung die Anwendung des globalen Minderaufwandes i.H.v. 2%, d.h. = 2.6 Mill. €. Das ist erst einmal ein Sparversprechen und am 31.12.24 wird sich zeigen, ob die Verwaltung den Scheck einlösen kann. Daneben besteht der Eindruck, dass alle Dezernate spürbare Einsparpotentiale in den HH eingebracht haben.
Seitens der Politik könnte man sich besonders den Bereich der freiwilligen Aufgaben ansehen:
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Politischen Mut haben Projekte nicht anzugehen.
Beispiel: Brauchen wir einen Fahrradschnellweg von Krefeld nach Venlo? 40K stehen im Haushalt für die Detailplanung von 2 Varianten. Warum? Über den Brahmsweg und Nutzung der alten Bahntrasse nach Kaldenkirchen kommen man bereits heute nach Venlo und von Krefeld nach Kempen führt parallel zur Landstraße ein Fahrradweg. Und was heißt schnell? 25 KM/H der Elektroräder reichen nicht aus? Es muss noch schneller sein, mit 45KM/h, oder ?
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Fördermittelprojekte kritisch hinterfragen und mit Folgekosten (Eigenanteil, Personal- bzw. Betriebskosten) berechnen:
Beispiel: „Fahrradparkhaus am Bahnhof“ mit einem Förderbudget 1.6 Mill.€ davon 410.000 € Eigenanteil. 230 Fahrräder Kapazität bedeutet pro Rad 6.956,- € Investition und eine Service- und Reparaturwerkstatt. Die Folgekosten wie Personal- und Betriebskosten sind darin nicht enthalten und werden von der Stadt getragen. Besteht die Notwendigkeit bei 3 bestehenden Fahrradstellplatzanlagen?
FDP-Rede zum Kommunalhaushalt Kempen 2024 Rat am 12.03.2024
Fraktionsvorsitzender Bernhard Lommetz
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Kempener Standards einer kritischen Würdigung unterziehen.
Beispiel: Eine weitere freiwillige Leistung, d.h. ohne gesetzliche Grundlage ist das 3 beitragsfreie Kitajahr. Man hat sich bei der Entscheidung auf die Zusage der Landesregierung zur Kostenübernahme verlassen und ist verlassen. Kosten für die Stadt 2024 zwischen 240 – 300.000 €. -
Investitionsprojekte priorisieren und zeitlich realistisch abbilden.
Die Ermächtigungsübertragungen sind mit 14.1 Mil.€ angezeigt. Zitat aus dem HH-Entwurf: Um die Höhe der Ermächtigungsübertragungen zukünftig zu reduzieren, sind die Mittelanmeldungen der Fachämter bzw. -referate mit Blick auf eine kapazitätsmäßige Umsetzbarkeit und Veranschlagungsreife kritisch zu prüfen sowie Verpflichtungsermächtigungen einzuplanen oder die Mittel im Folgejahr neu zu veranschlagen. Das unterstreichen wir.Mit der HH-Verabschiedung wird gleichzeitig dem Stellenplan als auch der Veränderungsliste zugestimmt. Mit einem Punkt der Veränderungsliste haben wir es uns schwergetan. Mit dem Gemeindefinanzierungsgesetz wurden die so genannten fiktiven Hebesätze der Grundsteuer B angehoben. Die rückwirkende Anhebung der Grundsteuer B zum 1.1.24 von derzeit 470 auf den fiktiven Hebesatz 501 des Landes NRW findet sich in Position 20 der Veränderungsliste wieder. Statt Wohnen günstiger zu machen und z.B. Standards senken oder die Grunderwerbssteuer von 6.5% zu senken wird eine Harmonisierung der Hebesätze umgesetzt . Derzeit sind „Zeichen setzten“ en vogue und die FDP wird im Sinne eines gemeinsamen HH-Beschlusses den Punkt mitgehen.
Allerdings sollte Kempen wieder in den Status einer abundanten Gemeinde kommen wird die FDP einen Antrag auf Senkung der Grundsteuer B stellen.
Zum Schluss:
Meine Damen und Herren,
wer die Kempener Zukunft erfolgreich gestalten will, der muss sich auf die wesentlichen Punkte beschränken, überflüssige Wahlgeschenke einkassieren und sich genau überlegen, welche Anträge Kempen weiterbringen und welche nur das Verwaltungshandeln blockieren. Denn gestalten kostet Zeit und Geld. Idiologen, Moralisten und Wohltäter auf Gemeinwohlkosten bringen uns nicht weiter und auch nicht das Schielen in Richtung Kommunalwahl 2025.
Wir bedanken uns für die kollegiale Zusammenarbeit mit der Verwaltung, dem Bürgermeister und den politischen Mitakteuren.
Die FDP stimmt dem Haushaltsplan 2024 mit allen seinen Anlagen zu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Bernhard Lommetz, FDP Kempen Faktionsvorsitzender Kempen, 12.03.2024